24.9.2012 kleiner und bold

Die Marke leben.


Markenarbeit ist im Mittelstand Chefsache. Wenn aber der Chef die Marke macht, bleibt er oft damit allein. Damit die Marke beim Kunden ankommt, muss er die Mitarbeiter ins Boot holen.

 

Der Mittelstand weiß , wie groß die Bedeutung der Marke für den Geschäftserfolg ist. Die große Mehrheit formuliert ihre Markenwerte, um sich vom Wettbewerb abzugrenzen. Allerdings beschäftigen weniger als die Hälfte eigene Markenspezialisten oder holen sich externe Hilfe. Die Folge: In der Kommunikation nach außen gibt es immer wieder Lücken. Die tatsächlichen Inhalte der Marke kommen nicht richtig beim Kunden an. Das zeigt die Studie »Wer bin ich?«, für die 116 mittelständische B-to-B-Unternehmen zum Selbstund Fremdbild ihrer Markenarbeit befragt wurden.

 

Mitarbeiter sind Markenbotschafter

Weiter zeigt sich: Bei der Markenentwicklung sind Mitarbeiter aus Marketing und Kommunikation meist involviert. Andere Abteilungen bleiben aber häufig außen vor. Die Markenwerte werden damit nicht so im Unternehmen verankert, dass alle Mitarbeiter sie kennen, verstehen und vermitteln können. Dabei sind es ganz unterschiedliche Mitarbeitergruppen, die die Marke an den Kundenkontaktpunkten erlebbar machen und deshalb stärker involviert werden sollten: die Telefonannahme, der Service und Vertrieb oder auch die Reklamation und Produktion. Das ist wichtig, denn Entscheider auf Kundenseite informieren sich überwiegend im persönlichen Austausch über die Marke. Über 90 Prozent der Befragten kennen neue Angebote und Nutzenversprechen ihrer Geschäftspartner aus persönlichen Gesprächen und nicht aus Werbemaßnahmen. Wenn die Mitarbeiter als Botschafter der Marke also nicht in die Markenarbeit einbezogen werden, kann ein Graben zwischen der Erscheinung einer Marke, ihrer Produktwelt und dem Verhalten entstehen. Der Kunde bemerkt das.

 

Klare Positionierung statt Wunsch-Image

Bisher legen mittelständische B-to-B-Unternehmen aber mehr Wert auf ein einheitliches Erscheinungsbild und ein selbst geprägtes Wunsch-Image, dem sie durch Logo, Farbe und Schrift eine Hülle geben, als auf die Vermittlung einer zentralen Botschaft. Hier muss sich der Kurs ändern. Um einen messbaren Markenmehrwert zu generieren, muss zu Beginn des Markenaufbaus eine klare Positionierung stehen. Sie beinhaltet die Sammlung von Belegen der tatsächlich spürbaren Produktvorteile und Leistungen. Die Positionierung hilft, die Markenwerte so zu definieren, dass sie intern glaubhaft implementiert werden können und dann auch für den Kunden relevant und erlebbar sind. Erst der Beleg durch die Mitarbeiter schafft das Vertrauen in die Marke. Unsere Studie zeigt, dass nur gut ein Drittel der Befragten die Werte ihrer Geschäftspartner nachvollziehen können. Sie seien unscharf formuliert, Aussagen über Qualität, Innovation und Kundenorientierung würden inflationär genutzt. Harte Werte wie Preis und Wirtschaftlichkeit, die einfacher zu erkennen wären, werden eher vernachlässigt. Es fällt mittelständischen B-to-B-Unternehmen also schwer, ihre Werte an überprüfbare Leistungen zu knüpfen und damit ihrer Marke Gesicht zu geben. Der operative Druck des Tagesgeschäfts lässt oft nicht den nötigen Raum für einen umfassenden Positionierungsprozess. Das Unternehmensprofil wird damit eher zum Ausdruck einer wohlwollenden Eigenwahrnehmung.

 

Living Brands: Von abstrakten zu gelebten Werten

Der Mensch – ob als Manager, als Mitarbeiter oder als Kunde – spielt aber beim Markenaufbau die wesentliche Rolle, nicht das Produkt. Es sind Menschen, die Marken wahrnehmen, und sich dafür oder dagegen entscheiden, Produkte und Leistungen zu kaufen. Es sind Menschen, die Marken entwickeln, gestalten, sich von ihnen inspirieren und leiten lassen und mit ihrer Arbeit dafür sorgen, dass Versprechen und Nutzen übereinstimmen. Marken entstehen im Dialog. Markenaufbau und -führung ist daher eine Art Beziehungsmanagement. Dabei sind einige Regeln zentral:

 

1. Eine Markenanalyse sollte nicht auf den vermuteten Wünschen der Zielgruppe basieren. Die Kundensicht muss am Anfang des Markenbildungsprozesses durch Umfragen und Interviews mit Fokusgruppen abgefragt werden und kontinuierlicher Messpunkt der eigenen Positionierung sein.

 

2. Die Marke entsteht im Kopf des Kunden. Für ihn müssen die Erscheinung, die Kommunikation, das Verhalten und die gelieferte Leistung der Marke übereinstimmen. Erst die Konsistenz dieser vier Erfahrungen schafft eine starke Marke. Der Erfolg der Marke hängt also davon ab, wie die Mitarbeiter ihre »living brand« vermitteln. Sie ist dann lebendig und wertvoll, wenn sie in den Köpfen und Herzen der Mitarbeiter fest verankert ist.

 

3. Die digitale Welt ist dynamisch und die Anforderungen für Markeninhaber verändern sich. Eine einfache Website als Unternehmensauftritt reicht heute selten aus. Denn das Markenimage wird auf unterschiedlichen Kommunikationskanälen gebildet: auf Länder- und Sprachseiten, auf Themen-, Produkt- oder Corporate Sites, in Login-Bereichen für Kunden und Mitarbeiter, auf Xing, Twitter, Facebook oder anderen Social Media-Plattformen. Alle diese Kanäle müssen berücksichtigt und – soweit möglich – gesteuert werden.

 

4. Nicht die statische Vermaßung aller Details und komplexe Manuals sichern ein gutes Corporate Design. Die Wiedererkennbarkeit einer Marke entsteht für den Laien nur mittels weniger visueller Parameter. Eine Definition der Basiselemente wie Farbe, Schrift, Bildsprache und Proportionen gewährleisten die Differenzierung im Wettbewerb – das Logo und dessen Platzierung spielt dabei aber keine wesentliche Rolle. Das heißt: Eine starke Marke erkennt man auch ohne Logo. Wenn man ausgewählte Designparameter gut, aber nicht streng interpretiert, ergibt sich eine Gestaltungsfreiheit, die über Jahre ein wechselbares, aber unverwechselbares Corporate Design ermöglicht – eben eine »living brand«.

 

Erschienen bei MARKENARTIKEL 7/2012.

 

 

 

Tammo F. Bruns ist geschäftsführender Gesellschafter der integrierten Markenagentur Kleiner und Bold GmbH. Er berät Unternehmen in der Strategie- und Designentwicklung von Marken und und sichert die unternehmensinterne Implementierung bis hin zur Kommunikation nach außen.