Was ist Corporate Identity?
Was ist Corporate Design?


Nahezu jede:r Designer:in kommt, über kurz oder lang, mit dem Thema »Corporate Identity« in Berührung. Worum es dabei geht ist aber nicht nur vielen Auftraggeber:innen ein Rätsel, sondern auch vielen Designer:innen: Es wird viel Energie in die Ästhetik investiert – und übersehen, dass die Entwicklung einer Corporate Identity weitreichende Folgen für alle Bereiche eines Unternehmens hat.

 

Jeden Tag werden wir mit einer gigantischen Menge an Informationen konfrontiert – und das nahezu pausenlos. Permanent nehmen wir über unsere Sinne Impulse auf, müssen sie erkennen, einordnen und darauf reagieren. Unser Gehirn kann diese Reizüberflutung nur dann sinnvoll bewältigen, wenn es die eintreffenden Impulse sehr stark selektiert. Die meisten Kriterien, nach denen unser Gehirn die eintreffenden Information filtert, sind jedoch nicht auf Dauer angelegt, sondern unterliegen einem ständigen Wandel.

 

Diese Situation stellt Unternehmen und Organisationen vor große Probleme. Gab es in Deutschland bis vor einigen Jahren nur ein relevantes Telekommunikationsunternehmen, so tummeln sich heute Dutzende solcher Unternehmen auf dem Markt. Und während früher nur eine Hand voll Frauenmagazine angeboten wurden, kann heute unter Unmengen an Magazinen auswählt werden. Konsument:innen müssen daher immer mehr Informationen verarbeiten, bevor sie sich für das eine oder andere Produkt entscheiden können.

 

In diesem Zusammenhang wird das Unternehmen »hinter« dem Produkt immer wichtiger, denn die jeweilige Unternehmensidentität hat einen starken Einfluss auf unsere Produktentscheidungen. Produkte kommen und gehen, aber das Unternehmen bleibt als Konstante bestehen. Seine Positionierung innerhalb unseres Wertesystems ist daher ein wichtiges Entscheidungskriterium. Aufgabe der Unternehmenskommunikation ist, diese Positionierung aufzubauen und weiterzuentwickeln.

 

Ein wesentliches Ziel effektiver Unternehmenskommunikation ist dabei der Aufbau von Vertrauen: Vertrauen in das Produkt, Vertrauen in die Zukunftsorientierung und Leistungsfähigkeit des Unternehmens, Vertrauen in alle, die daran mitarbeiten, kurz: Vertrauen in die Unternehmensmarke. Dies geschieht nicht automatisch, sondern muss erarbeitet und jeden Tag auf’s Neue unter Beweis gestellt werden. In einem Markt, der überquillt vor Information, muss ein Unternehmen daher profiliert und konsistent auftreten. Nur so kann es auf Dauer wahrgenommen und positiv identifiziert werden.

 

 

Corporate Identity bildet hierfür die inhaltliche Basis und gewährleistet eine nachhaltige und verständliche Unternehmenskommunikation. Dabei ist die Größe und Situation des Unternehmens oder der Organisation irrelevant: Der Corporate-Identity-Prozess ist eine skalierbare strategische Maßnahme, die sich an den jeweiligen Unternehmens- und Kundenzielen orientiert.

 

Der Kern einer Identität ist die »Individualität«. Auf Unternehmensebene betrifft dies in erster Linie die Differenzier- und Wiedererkennbarkeit in allen Kommunikationsmedien und -kanälen. Wichtig ist, dass diese »Gleichheit« nichts mit Uniformität zu tun hat. Jedes Unternehmen besitzt von Anfang an, ob bewusst gesteuert oder unbewusst, eine Persönlichkeit bzw. eine Unternehmensidentität. Die Art und Weise, wie es geführt wird, welche Ziele es verfolgt und wie sie umgesetzt werden etc. bestimmen seinen Charakter, seine Identität. Jedes Unternehmen sollte sich die Zeit nehmen, zu überprüfen, ob der aktuelle Stand der eigenen Identität den angestrebten Zielen, dem gegenwärtigen und zukünftig angenommenen wirtschaftlichen und sozialen Umfeld (noch) entspricht.

 

Bei der genaueren Betrachtung von Unternehmensidentitäten wird sich in vielen Fällen herausstellen, dass Veränderungen der Zielsetzung nicht oder nur teilweise nach außen erfahrbar und damit auch nutzbar gemacht werden. Potenziale und damit Wettbewerbsvorteile bleiben in diesen Fällen ungenutzt: Da ist zum einen der kleine, alteingesessene Handwerksbetrieb, der mittlerweile aber technologisch sehr weit vorangekommen ist – dies aber nicht in seiner Außenkommunikation darstellt und sich wundert, dass es am Markt nicht entsprechend wahrgenommen und honoriert wird. Da ist zum anderen der Metall-Konzern, der durch Zu- und Verkäufe zum Telekommunikationsgiganten aufgestiegen ist – in der Öffentlichkeit aber immer noch als der »schwerfällige Tanker« alter Prägung angesehen wird. In beiden Fällen stimmen Inhalt und Kommunikation offensichtlich nicht überein und erzeugen so Verwirrung. Beiden Beispielen ist gemeinsam, dass sie über keine durchgängig gelebte Unternehmensidentität verfügen. Eine klare, profilierte und vertrauenerweckende Wahrnehmung des Unternehmens ist auf diese Art nicht zu erzeugen.

 

Ein stimmiges und überzeugendes Bild kann nur das Unternehmen erzeugen, das genau weiß, was es ist, was es kann und wohin es möchte. Dies sind die wichtigsten Bestandteile eines Corporate-Identity-Prozesses. Diese Fragen gilt es im Vorfeld zu klären. Das geht nur über eine bewusste Auseinandersetzung mit dem Unternehmen, seinen Zielen, den Mitarbeiter:innen und dem Wettbewerbsumfeld. Es geht dabei um die Entwicklung und Definition der Unternehmenspersönlichkeit auf Basis strategischer Ziele, der Fähigkeiten des Unternehmens sowie der Erwartungen der Kunde:innen und Partner:innen. Um wirksam zu werden, muss diese dann verbindlich und klar kommuniziert werden.

 

 

Seit jeher wird jedoch fälschlicherweise unter Corporate Identity vor allem das visuelle Erscheinungsbild, das Corporate Design verstanden – und gleichgesetzt mit der Erstellung eines Logos, einer Briefschaft, einer Broschüre und einem neuen Leuchtschild auf dem Dach des Unternehmens.

 

Dieses grundlegende Missverständnis führt dazu, dass weltweit Unsummen von Unternehmensgeldern mehr oder weniger wirkungslos in oberflächliche »Make-ups« investiert werden. Der vermeintliche Effekt der Kosten- und Zeitersparnis wird so mittelfristig zu einer Fehlinvestition. So sind tausende Erscheinungsbilder entstanden. In Zeiten von beschränkten finanziellen Ressourcen und der Notwendigkeit schneller Erfolge mag man die Furcht vor einem langen und aufwändigem Prozess verständlich finden. Mit strategischem und unternehmerischem Denken hat dieses kurzfristige Handeln nur leider wenig zu tun.

 

Ein visuelles Erscheinungsbild (Corporate Design) ist aber lediglich ein Bestandteil einer umfassenden Unternehmensidentität. Die Identität eines Unternehmens besteht aus sehr viel mehr als nur aus seinem visuellen Auftritt. Vielmehr beschreibt die Corporate Identity das Selbstverständis eines Unternehmens und setzt sich daher aus einer Vielzahl von Komponenten zusammen, die es zu klären und zu organisieren gilt: Es geht um die Ausrichtung, die Philosophie, die Kommunikation. Nur ein strukturierter und »schonungsloser« Analyseprozess kann zum Herausarbeiten der Unternehmenspersönlichkeit, zur eindeutigeren Differenzierung gegenüber den Wettbewerbern führen – und letzten Endes auch zu einer entsprechenden Visualisierung. Oder um es etwas deutlicher auszudrücken: Erst denken, dann handeln! Designs, die ohne vorherige inhaltliche Auseinandersetzung entwickelt werden, erweisen sich mittel- und langfristig als Belastung für das Unternehmen, da ihnen die nötige Nachhaltigkeit und Beziehung zum eigentlichen Unternehmenskern fehlt. Ein Corporate-Identity-Programm ist daher vor allem ein Management-Tool, mit dessen Hilfe sich Strukturen, Inhalte und Persönlichkeit eines Unternehmens erkennen und gezielt steuern lassen, oder, um es kurz zu fassen: ein markt- und sozial-strategisches Element der Markenführung.

 

 

Markenführung bedeutet also weit mehr, als ein gutes Produkt zu entwickeln. Jedes Unternehmen, ob es will oder nicht, transportiert auch eine Haltung in den Markt, ist auf seine Art einzigartig, besitzt eine eigene Persönlichkeit. Worin diese besteht, welches diese ganz spezifischen Merkmale sind, ist allerdings vielen Unternehmen nicht wirklich klar – und kann somit oft auch nicht in den Markt kommuniziert werden. Die meisten Unternehmen begnügen sich deshalb damit, ihre ganze Energie in die Fertigung ihrer Produkte oder die Entwicklung ihrer Dienstleistungen zu stecken. Um aber auf Dauer erfolgreich zu sein, muss sich jede Organisation darüber im Klaren sein, welches ihr Sinn und Zweck ist, dies den Mitarbeiter:innen und Außenstehenden deutlich machen und dadurch ein Gefühl der Zugehörigkeit und des Vertrauens entwickeln.

 

Dieses Ziel wird erreicht, wenn die Identität der Maßstab für alle Aktivitäten wird. Corporate Identity ist deshalb nicht das Logo und die Broschüren, sondern der bewusste Einklang aller Unternehmensaktivitäten. Denn: Alles, was das Unternehmen tut und sagt, fußt dabei auf seiner Identität, baut sie auf und stärkt oder schwächt sie.

 

Aus diesem Grund müssen alle Bereiche eines Unternehmens die Werte und Ziele des Unternehmens glaubhaft widerspiegeln. Dies gilt vor allem für die Qualität und das Design der Produkte oder Dienstleistungen, die Architektur von Firmengebäuden oder Verkaufsstellen, die inhaltliche und formale Gestaltung von Kommunikationsmedien und die Handlungsweise des Unternehmens nach innen und außen. Jeder dieser Bausteine ist Teil des Ganzen und hat Auswirkungen auf die jeweils anderen Bereiche, da das Unternehmen mit allem, was es tut bzw. nicht tut, kommuniziert – und dies zu jedem Zeitpunkt. Jeder Bereich und jedes Kommunikationsmedium beeinflusst unser Bild des Unternehmens. Je höher die Konstanz, umso klarer die Aussage.

 

Das Herausarbeiten der Identität und deren konsequente Umsetzung hat demnach nicht nur visuelle, sondern in erster Linie strukturelle und inhaltliche Konsequenzen für ein Unternehmen. Die Visualisierung ist daher ein Ergebnis dieser Entwicklung, niemals ihr Ausgangspunkt. Aufgrund der Tragweite muss Corporate Identity im Kern Aufgabe der Unternehmensleitung sein. Nur sie besitzt, qua Position, das Wissen und die Autorität, um solch ein Projekt dauerhaft um- und durchzusetzen.

 

 

Um eine erfolgreiche Umsetzung erreichen zu können, spielen drei Aspekte in der Klärung eine wesentlich Rolle:

 

1. Zugehörigkeit

Das Unternehmen muss sich klar und überschaubar darstellen, um für alle Beteiligten (aktuelle und potenzielle Kund:innen, Mitarbeiter:innen, Zuliefer:innen, Presse, Investor:innen) verständlich zu sein.

 

2. Persönlichkeit

Das Unternehmen muss seine Werte und Prinzipien klar vermitteln, sodass alle Beteiligten (intern und extern) eine übereinstimmende Vorstellung davon haben.

 

3. Positionierung

Das Unternehmen muss im Sinne der Corporate Identity seine Produkte und Dienstleistungen entwickeln und klar von denen der Wettbewerber abheben. (nach Wally Olins)

 

Ein wesentliches Ziel effektiver Unternehmenskommunikation ist dabei der Aufbau von Vertrauen: Vertrauen in das Produkt, Vertrauen in die Zukunftsorientierung und Leistungsfähigkeit des Unternehmens, Vertrauen in alle, die daran mitarbeiten, kurz: Vertrauen in die Unternehmensmarke. Dies geschieht nicht automatisch, sondern muss erarbeitet und jeden Tag aufs Neue unter Beweis gestellt werden. In einem Markt, der überquillt vor Information, muss ein Unternehmen daher profiliert und konsistent auftreten. Nur so kann es auf Dauer wahrgenommen und positiv identifiziert werden.

 

Corporate Identity bildet hierfür die inhaltliche Basis und gewährleistet eine nachhaltige und verständliche Unternehmenskommunikation. Dabei ist die Größe und Situation des Unternehmens oder der Organisation irrelevant: Der Corporate-Identity-Prozess ist eine skalierbare strategische Maßnahme, die sich an den jeweiligen Unternehmens- und Kund:innenzielen orientiert.

 

 

Um ein glaubwürdiges Bild zu vermitteln, muss sich die Corporate Identity in allen Unternehmensbereichen spiegeln. Sie ist daher die Basis aller kommunikativen, aber auch entwicklungstechnischen und personalpolitischen Aktivitäten. Sie dient in dieser Funktion als inhaltliche Leitstrategie. Von ihren programmatischen und kommunikativen Vorgaben hängt die interne und externe Darstellung und damit die Wahrnehmung des Unternehmens, das Corporate Image, ab.

 

Die Corporate Identity steuert und definiert im Wesentlichen drei Bereiche, die in unmittelbarer Abhängigkeit voneinander stehen:

 

Corporate Design – die Visualität

Corporate Communications – die Botschaft

Corporate Behaviour – das Verhalten

 

Unternehmen werden als Ganzes wahrgenommen – weder die Botschaft noch das Design oder Verhalten können daher unabhängig voneinander entwickelt werden. Vielmehr ist es sehr wichtig, alle Bereiche kontinuierlich und parallel zueinander auf- und auszubauen, um so die empfindliche Balance zwischen diesen Bereichen aufrechtzuerhalten. Corporate Identity ist daher ein sehr dynamischer Prozess, der sich immer an der Unternehmensentwicklung orientiert.

 

© Prof. Robert Paulmann